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Ein Fest der Freiheit und der Fragen
01.April 2023 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Betrachtungen zu Pessach 5783 von Gemeinderabbiner Jonah Sievers
Pessach ist als unser Fest der Freiheit auch ein Fest der Fragen: Freiheit und die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sind aufs Engste miteinander verbunden. Unfreiheit hingegen geht oft mit dem Versuch einher, kritische Fragen zu unterdrücken. So ist die Haggada ein Buch, dessen Hauptaufgabe darin besteht, uns zum Fragenstellen anzuleiten. Die Haggada nennt vier Arten von Persönlichkeiten. Dabei wirft der vierte Charakter an sich schon Fragen auf – er ist derjenige, der nicht zu fragen versteht. Dieser Persönlichkeit soll man mit dem Vers Schemot 18,8 antworten: »Du sollst Deinem Kind an jenem Tag wie folgt sagen: wegen dieser Sache tat der Ewige mir, als ich aus Ägypten auszog.« In den Haggadot wird der vierte Frage-Typus fast ausnahmslos als Kind dargestellt. Aber muss das zwingend so sein? Rabbiner Dr. Michalski meint, der Typus, der nicht zu fragen versteht, sei auf jeden Menschen anwendbar, der zwar seine Umwelt wahrnimmt, aber nicht über die Ursachen nachdenkt. Wenn er zum Nachdenken noch nicht die entsprechenden Fähigkeiten besitzt, entspräche dies einem Kind. Ist man allerdings zu bequem, um über die Komplexität der Welt nachzudenken, dann trifft dies auf einen Erwachsenen zu. Die vierte Persönlichkeit entspricht somit auch der vierten Frage im Lied »Ma Nischtana«, bei der es darum geht, herauszufinden, warum man angelehnt und nicht aufrecht sein Festmahl einnimmt. Hier geht es nicht um den Inhalt, um wirklich etwas zu erfahren, sondern nur um Äußerlichkeiten. Auch ist es interessant, dass die Antwort an den vierten Typus die gleiche ist wie für den »Rascha«, den Bösewicht. Nur die Belohnung unterscheidet sich. Daraus können wir schließen, dass der vierte Charakter zwar neutral ist, aber auch leicht zum »Rascha« werden kann. Auch die Einleitung der Antwort an die Person, die nicht zu fragen versteht, ist ungewöhnlich: P’tach lo – »eröffne ihm«. Dies kann man als Auftrag verstehen, eine Umgebung zu schaffen, die Relevanz hervorbringt.
Letztendlich aber sind die vier fragenden Personen vier verschiedene Aspekt in uns!
Wichtig für unsere Reise aus der Sklaverei in die Freiheit ist es, immer unseren Geist offenzuhalten. Ganz besonders dann, wenn wir die Dinge nicht sofort verstehen. Schaffen wir Räume für Begegnungen und geben uns so die Möglichkeit, wachsen zu können. Nicht nur unser Geist soll offen sein, sondern auch unser Herz, so dass wir, gestützt auf eine starke Gemeinschaft, aus unserem Ägypten in eine bessere Zukunft ziehen können.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien
Chag Samech w’kascher!
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