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Editorial
03.Oktober 2014 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Liebe Gemeindemitglieder,
der vergangene Sommer war bedauerlicherweise von anhaltenden antisemitischen Vorfällen im gesamten Bundesgebiet geprägt. Aus diesem Grund fand am 14. September die Kundgebung »Steh auf – Nie wieder Judenhass« vor dem Brandenburger Tor statt. Bundesweit folgten dem Aufruf rund 6 000 Menschen.
Es war richtig und wichtig, dass in einer Zeit, in der unter dem Vorwand des Gaza-Konflikts antisemitische Ressentiments und Israelkritik in Teilen der deutschen Gesellschaft zu kruden israel- und judenfeindlichen Polemiken vermischt wurden, eine solche Kundgebung im Herzen des politischen Berlins stattfand.
Der Bundespräsident Joachim Gauck, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vizekanzler Sigmar Gabriel haben durch persönliche Teilnahme ihre Solidarität bekundet. Viele weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft, Kirchen und Verbänden unterstützten den Aufruf. Alle Redner betonten, dass es »Nie wieder Judenhass« in Deutschland geben darf. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Blicken wir 14 Jahre zurück: Auf Anregung des damaligen Vorsitzenden unserer Gemeinde, Dr. Andreas Nachama, organisierte die SPD in Zusammenarbeit mit weiteren demokratischen Parteien, dem DGB und den mit uns verbundenen Institutionen eine Großkundgebung unter dem Motto »Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz«. Rund 250 000 Menschen folgten diesem Aufruf. Vorangegangen war ein Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge.
Vor diesem Hintergrund stimmt es viele von uns traurig, dass trotz großer Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet »nur« rund 6 000 Menschen zur Kundgebung des Zentralrates gekommen sind. Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der Münchener Gemeinde, beklagt eine »klaffende Lücke zwischen der politischen Räson und der gesellschaftlichen Stimmung«.
Wünschenswert wäre es gewesen, dass, wie schon vor 14 Jahren, die Gewerkschaften, die demokratischen Parteien oder die vielen in Deutschland existierenden Organisationen und Verbände diese Kundgebung aus der Mitte der Gesellschaft heraus angestoßen hätten.
Ein herausragendes Beispiel für eigenverantwortliches Engagement stellt das Vorgehen des Axel-Springer Verlags dar. Schon in seinen Unternehmensgrundsätzen hat sich Springer zu einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen und zur Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes bekannt. Diese Grundsätze stehen nicht nur auf dem Papier, sondern werden auch umgesetzt und mit Leben gefüllt. So hat erst ein Artikel in der WELT, welcher die einseitige und tendenziell israelvoreingenommene Berichterstattung in den deutschen Medien über den Gaza-Krieg 2014 anprangerte, zu einer breiten gesellschaftlichen und politischen Diskussion über dieses Thema geführt. Der Axel-Springer-Verlag ließ das Motto »Nie wieder Judenhass« auf sein Verlagshaus projizieren und warb für die Teilnahme an der Kundgebung mit großen Anzeigen in seinen Zeitungen.
Auch wir als größte Jüdische Gemeinde Deutschlands versuchen bestmöglich zur Förderung von Toleranz und zum Abbau von Vorurteilen beizutragen. Ein wundervolles Beispiel für das Gelingen unserer Bemühungen sind die Jüdischen Kulturtage. Sie waren besonders in diesem Jahr ein Ausdruck von Solidarität mit der Jüdischen Gemeinschaft und setzten ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus.
Gerade den antisemitischen Anfeindungen zum Trotz erfreuten sich die Berliner Jüdischen Kulturtage in diesem Jahr eines überwältigenden Besucherrekords. Fast 29 000 Gäste nahmen das mannigfaltige Kulturangebot wahr. Dies war der größte Besucherzustrom für diese Veranstaltungsreihe seit deren Initiierung im Jahr 1987.
Im Namen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin möchten wir an dieser Stelle der Kulturdezernentin unserer Gemeinde, Alexandra Babes, dem künstlerischen Leiter, Dr. Hermann Simon und dem Intendanten der Kulturtage, Martin Kranz, unseren Dank aussprechen. Die Jüdischen Kulturtage genießen einen ausgezeichneten Ruf und sind die größte Veranstaltung ihrer Art in der Bundesrepublik. Sie erreichen immer mehr Menschen. Dies zeigt uns, dass es noch immer einen breiten Teil der Gesellschaft gibt, der sich im positiven für das Judentum und Israel interessiert.
Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung und wünschen uns, dass dieser Geist von Freundschaft und Toleranz eine ansteckende Wirkung entfalten möge.
Liebe Gemeindemitglieder,
im Namen des Präsidiums der Repräsentantenversammlung und natürlich auch ganz persönlich wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein süßes, friedliches und gesundes Jahr 5775.
Shana tova!
Ihr Michael Rosenzweig
jüdisches berlin
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