Beitragssuche
Die vier Daten und drei Namen von Rosch Haschana
03.September 2023 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Feiertage
Gedanken zum Neujahrsfest 5784 von Gemeinderabbinerin Gesa Ederberg
Rosch Haschana, der Anfang des jüdischen Jahres, ist einerseits ein Jahresanfang, so wie es viele gibt, und andererseits etwas ganz besonderes. Jede Kultur hat einen Kalender – man könnte fast sagen, ohne Kalender, ohne eine Zeitorientierung kann es keine Kultur geben. Und im Vergleich der Kulturen und Religionen sieht man, dass diese Orientierung etwas relatives ist: Fast 30 verschiedene Daten führt ein Lexikonartikel zum Stichwort »Neujahr« auf, vom alten römischen Kalender bis zum thailändischen Suriyakati-Kalender.
Selbst das Judentum kennen vier Daten für den Anfang des Jahres. Die Mischna Rosch Haschana zählt sie auf: den 1. Nissan für die Zeitrechnung der Könige und der Feiertage, den 1. Elul für »den Zehnten vom Vieh«, den 1. Tischri für den Beginn des Jahres, der Schabbatjahre und des Jowel, und den 15. Schwat als Neujahr für die Bäume.
Rosch Haschana ist einerseits ein universales Fest, wir reden auch vom »Geburtstag der Welt«, andererseits ein sehr spezifisch jüdisches Fest, der Anfang der Asseret Jemei Ha-Teschuwa, der Zehn Tage der Umkehr, die ihren Abschluss mit Jom Kippur finden. Einerseits ist es ein frohes Fest, bei dem wir uns mit Äpfeln und Honig ein »Schana towa u-metuka«, ein gutes und süßes Jahr, wünschen. Andererseits ist es ein sehr ernster Tag, Höhepunkt der einen Monat dauernden Zeit, in der man das vergangene Jahr Revue passieren läßt und versucht, sich mit denen zu versöhnen, mit denen man Streit hatte.
Rosch Haschana trägt drei Namen, die seinen ernsteren Charakter umschreiben: Jom Hadin, Jom Hasikaron und Jom Trua. An Rosch Haschana als Jom Hadin – als Tag des Gerichts sitzt Gott über alle Geschöpfe der Welt zu Gericht und entscheidet, wer im kommenden Jahr leben und wer sterben wird. Rabbi Kruspedai sagte im Namen Rabbi Jochanans: Drei Bücher werden am Neujahrsfest geöffnet: Eines für die Bösen, eines für die Guten und eines für die, die sich zwischen Gut und Böse befinden. Die Guten werden sofort zum Leben, die Bösen sofort zum Tode eingeschrieben und über die, die sich in der Mitte befinden, bleibt das Urteil von Rosch Haschana zehn Tage lang bis Jom Kippur in der Schwebe.
Diese Vorstellung vom Tag des Gerichts mag uns fremd vorkommen, sie bringt aber einen sehr realen Punkt zu Bewusstsein. So wie wir zu einer bestimmten Zeit geboren wurden, werden wir auch eines Tages sterben. Im Alltag ist es gut, nicht daran zu denken, dass man selbst und auch alle, die man liebt, sterben werden – zu einem Zeitpunkt, den kein Mensch weiß. Einmal im Jahr aber steht der Gedanke an den Tod im Mittelpunkt und mit ihm die Frage, was wir in unserem Leben und im vergangenen Jahr getan haben. Schon der ganze Monat Elul davor ist eine Zeit der Buße. Jeder läßt das vergangene Jahr Revue passieren und versöhnt sich mit allen, denen er Unrecht getan hat. Man ist sogar verpflichtet, auf diejenigen zuzugehen, die einem selbst Unrecht getan haben, um Frieden zu stiften.
Während wir mit anderen Menschen in der Zeit vor Rosch Haschana Frieden schließen, hat die Versöhnung mit Gott ihren Ort an Rosch Haschana selbst und findet zehn Tage später an Jom Kippur ihren Abschluss.
Ein weiterer Name von Rosch Haschana ist Jom Hasikaron – Tag der Erinnerung. Wir erinnern uns und Gott an die Geschichte, die wir mit ihm gemeinsam haben. Wir erinnern ihn an die Verheißungen, die er Israel gegeben hat. Auch wenn wir seine Liebe und Treue nicht verdient haben, hat er sie uns doch versprochen und wir fordern sie von ihm ein. So erinnern wir in den Lesungen aus der Tora und den Propheten an die Geburt Jitzchaks, den Sara gegen alle Wahrscheinlichkeit geboren hat, als sie und Abraham schon alt waren. Jitzchak war der Erbe der Verheißungen Gottes an sein Volk Israel und dadurch an die ganze Welt. Wir erinnern auch an die Bindung Jitzchaks, mit der Gott Abraham auf die Probe stellt. Wir erinnern uns an die Geburt des Propheten Schmuel durch Channa, auch ein Kind, das nach langer Unfruchtbarkeit geboren wurde. Wir erinnern schließlich an Gottes Verheißung durch seinen Propheten Jeremia, dass die Zeit der Trauer vorbei und die Zeit der Freude gekommen ist.
Schon in der Tora gibt es noch einen dritten Namen für Rosch Haschana: Jom Trua – Tag des Jubels. Die Trua, der Jubel ist untrennbar mit dem Klang des Widderhorns, des Schofars verbunden, das von Anfang des Monats Elul bis zum Ende von Jom Kippur 40 Tage lang geblasen wird. Das Schofar zu hören ist ein zentrales Element von Rosch Haschana, denn alle Elemente dieser Zeit, die Angst vor Gottes Gericht, die Erinnerung an Gottes Verheißungen und die Freude über die Rettung sind mit seinem Klang verbunden.
jüdisches berlin
2012_24 Alle Ausgaben
- November 2024
- Oktober 2024
- September 2024
- Juni 2024
- Mai 2024
- April 2024
- März 2024
- Februar 2024
- Januar 2024
- Dezember 2023
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- September 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Januar 2018
- März 2021
- Februar 2021
- Mai 2020
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- September 2020
- Oktober 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- September 2019
- November 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Dezember 2018
- Januar 2019
- Mai 2015
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2015
- März 2015
- März 2018
- Februar 2017
- Februar 2018
- fileadmin/redaktion/jb197_okt2017.pdf
- September 2017
- Juni 2017
- April 2017
- November 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2017
- Dezember 2015
- November 2015
- September 2015
- Juni 2015
- Oktober 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Januar 2022
- Oktober 2014
- September 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012