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Die Kippa als Symbol

02.Oktober 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Religion

Aus unserer Reihe »Fragen an den Rabbiner« Jitshak Ehrenberg

Ein Jude wurde in Berlin brutal geschlagen, nachdem er durch seine Kopfbedeckung als Jude identifiziert worden war. Aufgrund dieses Vorfalls haben manche dazu aufgerufen, nicht mehr mit Kippa in Berlin zu gehen. Ist das die richtige Reaktion? Was ist eigentlich die Quelle für das Tragen der Kippa?

Im Schulchan Aruch steht: »Es ist verboten, erhobenen Hauptes einher zu gehen«. Ferner heißt es nach diesem Verbot der Hochnäsigkeit an gleicher Stelle: »Und man gehe keine vier Ellen mit entblößtem Haupt« (Orach Chajim 2:6). Das Bedecken des Kopfes drückt Bescheidenheit und G’ttes-furcht aus. Aus der Formulierung »Und man gehe keine vier Ellen« geht hervor, dass hier kein Verbot gemeint ist, da es sonst heißen würde: »Es ist verboten«, wie zu Beginn des Abschnitts. Es ist also offensichtlich, dass es nach der Halacha nicht verboten ist, ohne Kopfbedeckung zu gehen. Es handelt sich allein um einen Brauch. In der »Mischna Brura«, einem Kommentar zu Orach Chajim, heißt es zu der zitierten Stelle, dass in Ländern, in denen das Gesetz das Tragen von Hüten und anderen Kopfbedeckungen in Anwesenheit von Ministern und Richtern verbietet, sie selbstverständlich abgenommen werden müssen. Hierbei greift die talmudische Bestimmung »Dina DeMalchuta Dina« (zum Beispiel bNedarim 28a), was bedeutet, dass das Gesetz des Staates auch für Juden verbindlich ist, wenn es der Halacha nicht widerspricht.

Der Ursprung des Brauchs, den Kopf zu bedecken, liegt weit zurück. Die Priester verrichteten ihren Dienst mit bedecktem Haupt. Die Tora nennt den Kopfbund als Teil ihrer Kleider (Exodus 28:40 u.a.). Am Ende der zweiten Tempelperiode, in der Zeit der Mischna, war die Kopfbedeckung allgemein Brauch. Sie wird in einer Barajta als eine von 18 üblichen Kleidungsstücken genannt (bSchabbat 120a). Zudem wird erwähnt, dass die Richter mit Kopfbedeckung zu Gericht sitzen müssen. Ferner berichtet der Talmud, dass die Mutter von Rabbi Nachman bar Jizchak sehr auf dessen Kopfbedeckung achtete, damit er G‘ttesfurcht habe (bSchabbat 156b). Über Rabbi Huna wird gesagt, dass er keine vier Ellen mit entblößtem Haupt ging (bSchabbat 118b). Der Brauch der Aschkenasim täglich Kippa zu tragen, hat sich vermutlich erst nach der Veröffentlichung des Schulchan Aruch im Jahr 1565 eingebürgert.

Jenseits der Frage nach der halachischen Relevanz der Kippa ist jedoch zu beachten, dass sie inzwischen zu einem bedeutenden Symbol geworden ist. Die Kippa steht heute für den religiösen Juden. Sie symbolisiert, dass sein Träger an den Ewigen und seine Tora glaubt und die Mizwot hält. Wenn man auf Hebräisch ausdrückt, dass jemand säkular geworden ist, sagt man: »Er hat die Kippa abgenommen«.

Foto: Judith Kessler

Foto: Judith Kessler

Formen und Farben der Kippa sind sehr verschieden. Sie geben Auskunft über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe innerhalb des Judentums: Chassidim, Litauer, Breslawer, Gerer Chassidim, Nationalreligiöse und andere.

G’tt sei Dank gibt es heute in Berlin sehr viele Juden, die die Mizwot halten und für die es nicht in Frage kommt, ihr Judentum zu verstecken. Berlin wird nicht als gefährlicher Ort eingestuft. So sind wir verpflichtet, stark zu sein, auf unseren Rechten zu bestehen und uns in Freiheit zu bewegen. Wir verbergen unser Judentum nicht, egal ob es sich um Kippa, Pejes, Bart, Davidstern oder ein anderes jüdisches Symbol handelt.

Ich wende mich an alle Gemeindemitglieder, sich auf keinen Fall zu fürchten und sich von unseren Symbolen zu distanzieren. Natürlich müssen wir in jeder Situation mit Verstand und Vorsicht handeln. Doch haben wir uns unseres Judentums nicht zu schämen. Es ist besonders wichtig, die jüdische Identität unserer Kinder zu stärken. Symbole spielen eine große Rolle. Bitte sorgen Sie weiterhin dafür, dass bei jeder Beschneidung, Bar- oder Bat Mizwa, bei Hochzeiten und allen anderen jüdischen Feiern alle Gäste Kippot erhalten – als wichtiges Symbol unseres Judeseins.

Rabbiner Yitshak Ehrenberg