Beitragssuche
Die Geschichte(n) hinter den Gesichtern
04.April 2011 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Der israelische Fotograf Yehuda Swed (27) porträtiert geborene und gewordene Berliner Juden
Er wirkt ziemlich »erwachsen« bis »abgeklärt« – verglichen mit hiesigen 27-Jährigen. Der Fotograf Yehuda Swed (mittelgroß, schlank, Lockenkopf) ist in Jerusalem geboren und wie jeder junge Israeli Soldat gewesen. Vielleicht liegt es daran, dass er weiß, was er will oder zumindest, was er nicht will. Yehuda war im Libanonkrieg bei der Infanterie, eine traumatische Erfahrung, die er auf keinen Fall wiederholen möchte. Auch deswegen ist er hier, in Berlin. Seit einem Jahr und drei Monaten.
Vorher hat er in Jerusalem an der »Midrascha le zilum geografi« studiert und war sieben Monate in Kenia, wo er verstanden hat, dass er nicht sein ganzes Leben lang in Israel leben möchte. Er kehrte nur kurz zurück und kam dann nach Berlin. Warum Berlin? Warum nicht! Er wusste fast nichts von Berlin, nur, dass viele Künstler hier leben. Nicht unwichtig für einen, dessen Metier Porträts sind und Mode ist. Auch dass »Berlin ein Synonym für Europa« ist, habe ihn hierher gebracht; es sei ihm zu eng geworden zu Hause, politisch wie künstlerisch, sagt er, und dass er den Umzug keinen Tag bereue.
Yehuda Sweds Background ist israeltypisch. Der Vater stammt aus Damaskus und war drei Jahre alt, als die Familie (die ursprünglich aus Spanien stammte) Syrien in Richtung Israel verließ. Yehudas Mutter ist eine Sabra, deren Eltern – Schoa-Überlebende – aus der damaligen Tschechei und aus Rumänien kamen. Dass er nun in Berlin lebt, sei kein Problem für seine Eltern, »Hauptsache, ich heirate keine Nichtjüdin«, grinst er, »das ist ihre einzige Sorge«. Verstehen kann er diese Sorge allerdings nicht.
Der Weggang aus Israel – über Afrika nach Berlin – war ein Schnitt in mehrfacher Beziehung. Er trennte sich von dem Mädchen, mit dem er viele Jahre zusammen war, er begann sich auf das Handwerk zu konzentrieren, er wurde ruhiger und reifer. Das habe er dem gemächlichen Flair der Stadt zu verdanken, meint Swed. Berlin habe ihn ruhig gemacht – verglichen mit Tel Aviv lasse die Stadt jeden leben, der Konkurrenzdruck sei weniger groß und »jeder kann seinen Raum und sein Tempo finden, das ist das Großartige an Berlin«.
Nun lässt sich auch nicht behaupten, dass er langsam wäre. Yehuda (dem sein Heldenname nicht recht zusagt) lebt inzwischen also im Wedding und hat sich auf das Fotografieren von Musikern und Musikbands spezialisiert und hält für verschiedene Stiftungen deren Konferenzen und Veranstaltungen fest. Er hat bereits eine Ausstellung in Berlin gezeigt und mehrere Projekte »am Laufen«. Eines geht um Leute, die sich verrückt anziehen, das andere um Berliner Juden. Die Idee stammt von Ilan Weiss, der ihm vorschlug, eine Serie mit Porträts Berlin Juden (und Jüdinnen natürlich) zu machen. Das, was Yehuda an dieser Arbeit interessiert, ist jedoch vor allem die Frage, was denn Berliner Juden sind beziehungsweise was jüdisch ist oder was jüdisch aussieht. So ist er auf der Suche nach »alle Arten Juden« – jungen und alten, hiergebliebenen und zugewanderten, dicken und dünnen und hat auch bereits etliche Menschen porträtiert, die zum Judentum übergetreten sind und sich (planmäßig) über seinen Bruder amüsiert, dem er einige seiner Fotos von geborenen und gewordenen Juden gezeigt hat und der ihn fragte: »Was soll das? Ich sehe gar keinen Unterschied«. »Ach?!«, antwortete Yehuda Swed, »Gut! Quod erat demonstrandum.« Aber es geht ihm nicht nur um Bilder – »ich will den ganzen Menschen erfahren, ich will nicht nur ein Foto, auch die Geschichte dahinter«.
Berlin und seine Bewohner haben viele Geschichten parat. Er sucht sie und freut sich über jede und jeden, der oder die Lust hat, an seinem Projekt »Porträts Berliner Juden« teilzunehmen. So wie die Stadt scheint Swed auch ihre Bewohner mit Sympathie und genau anzusehen. Und selbst wenn Berlin für den jungen Fotografen »ein Schritt« auf dem Karriereweg und dem Weg zu sich selbst ist und er vielleicht irgendwann auch nach New York gehen wird, so soll doch »Berlin meine Basis bleiben, ich mag die Stadt sehr.«
Judith Kessler
Kontakt: yudaswed@gmail.com, www.yudaswed.com
jüdisches berlin
2012_24 Alle Ausgaben
- Dezember 2024
- November 2024
- Oktober 2024
- September 2024
- Juni 2024
- Mai 2024
- April 2024
- März 2024
- Februar 2024
- Januar 2024
- Dezember 2023
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- September 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Januar 2018
- März 2021
- Februar 2021
- Mai 2020
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- September 2020
- Oktober 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- September 2019
- November 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Dezember 2018
- Januar 2019
- Mai 2015
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2015
- März 2015
- März 2018
- Februar 2017
- Februar 2018
- fileadmin/redaktion/jb197_okt2017.pdf
- September 2017
- Juni 2017
- April 2017
- November 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2017
- Dezember 2015
- November 2015
- September 2015
- Juni 2015
- Oktober 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Januar 2022
- Oktober 2014
- September 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012