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Die Freude an der Tora
01.Oktober 2017 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Feiertage
Rabbinerin Gesa Ederberg über den Feiertag Simchat Tora
Simchat Tora ist ein ganz besonderer Feiertag – in seiner Freude und Ausgelassenheit eigentlich nur mit Purim zu vergleichen. Während wir mit Rosch Haschana und Jom Kippur eine ernsthafte Zeit der Selbstkritik verbringen, ist das anschließende Sukkotfest »Sman Simchatenu« – die Zeit unserer Freude. Und am Ende von Sukkot, als zusätzlicher Feiertage stehen Schmini Azeret und dann Simchat Tora, an dem die Freude noch viel größer wird – ein Feiertag ohne Trauer, ohne Umkehr und Buße. Wir feiern ihn mit Umzügen in der Synagoge, mit Tanz und Unmengen an Süßigkeiten.
Darüber hinaus ist Simchat Tora der einzige biblische Feiertag, der weder ein geschichtliches noch ein landwirtschaftliches Motiv hat. An Pessach feiern wir den Auszug aus Ägypten und das Frühjahr, an Sukkot erinnern wir an die Wanderung durch die Wüste und feiern die Herbsternte, und an Schawuot feiern wir die Gabe der Tora am Berg Sinai und die Erstlingsfrüchte, die im Tempel geopfert werden.
Simchat Tora bedeutet »die Freude an der Tora«. Zwar haben alle Feiertage ihre Toralesungen und sind jedes Mal der Höhepunkt des Gottesdienstes. Die Grundstruktur unseres Synagogengottesdienstes folgt jedoch der Struktur und der zeitlichen Ordnung der Opfer im Tempel, und die Toralesung ist eine spätere Hinzufügung. Simchat Tora aber hat nicht nur eine Toralesung als Teil des Gottesdienstes, sondern die Tora ist sein eigentliches Thema. Es wird ohne Bezug auf das Land oder ein geschichtliches Ereignis die zentrale Bedeutung der Tora in der rabbinischen Kultur der Diaspora gefeiert – die Gabe der Tora am Berg Sinai, das tatsächliche Ereignis, wird an Schawuot noch einmal extra gefeiert.
Talmud Tora, das Lernen der Tora, ist die jüdische Aktivität schlechthin. Im Morgengebet zählen wir die zentralen Pflichten eines Juden auf und zum Schluss heißt es: »we-Talmud Tora ke-neged kulam« – »das Lernen der Tora wiegt genauso viel wie all diese zusammen«. Im Talmud diskutieren die Rabbinen, was wichtiger sei, gute Taten oder das Lernen der Tora und entscheiden sich für die Tora; sie ist die Grundlage für gute Taten.
Nicht zu Rosch Haschana, zum Jahresanfang, sondern jetzt beginnen wir die Toralesung und lesen den Abschnitt »Bereschit« – »am Anfang«, der von der Erschaffung der Welt erzählt und eigentlich auch gut zu Rosch Haschana gepasst hätte. Aber da die Rabbinen den Schwerpunkt auf die Tora und nicht auf die Schöpfung legen wollten, haben sie sich für diese Trennung entschieden. Auch das Ende der Tora lesen wir jetzt, um dann gleich neu anzufangen, um uns bewusst zu machen, dass die Beschäftigung mit der Tora kein Ende hat. Neben diesem zyklischen Verständnis steht die historische Perspektive: An Simchat Tora lesen wir die direkte Fortsetzung der Geschichte Israels mit dem Anfang des Buches Jehoschua, der nach dem Tod von Mosche die Kinder Israels ins Land führte.
So, wie zu Pessach, Schawuot und Sukkot das ganze Volk nach Jerusalem zum Tempel ziehen sollte, wird an Simchat Tora das ganze Volk zur Tora aufgerufen. Es ist Brauch, dass jeder eine Alija bekommt. So, wie am Berge Sinai das ganze Volk die Tora hörte, wird nun das ganze Volk mit einem Aufruf geehrt und feiert seine Verbundenheit mit der Tora. Alle Torarollen werden aus dem Aron Hakodesch genommen und mit Tanz und Gesang durch die Synagoge getragen und jeder soll sie mindestens einen Teil des Weges tragen. Die sieben Hakkafot (Umzüge) entsprechen der Anzahl der Umrundungen des Brautpaars unter der Chuppa. Und die Personen, die mit dem Aufruf zur letzten und zur ersten Lesung der Tora geehrt werden, bezeichnet man als ‚Chatan‘ oder ‚Kala‘, Bräutigam oder Braut der Tora. Und so, wie bei einer Hochzeit schon die Hoffnung auf die nächste Generation ausgedrückt wird, bekommen auch die Kinder eine eigene Alija, bei der sie extra gesegnet werden.
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