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Die »beschnittene« Berliner ›Stiftung von 1803‹

29.April 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur

Ein neues Buch geht der Geschichte der Stiftungen der Hofjuweliersfamilie Ephraim nach

…Die Erinnerung, das der Mensch zuletzt am Ende wandeln mus, und das ihm sodann seine irdischen Guther nicht nachfolgen weder ferner nutzen konnen, solle billig einen jeden Rechtschaffenen auffordern, zum Nutzen seiner Seele, ein Theil seines Vermogens zu einer milden Stiftung anzuwenden, damit ihm ein solches gute Werk, einst vorschreiten und den Weg zur Seeligkeit bahnnen moge… Aus der Einleitung des Testaments von Ephraim Veitel, 6.2.1799 Jeder in Berlin kennt das Ephraim-Palais in Mitte. Weniger bekannt ist der Hofjuwelier und Munzpachter Ephraim Veitel Heine selbst (1703–1775), einer der ≫Hofjuden≪ Friedrichs des Grosen, der zusammen mit seinen Sohnen eine Reihe von Stiftungen zugunsten judischer und christlicher Jugendlicher einrichtete und 1774 in Berlin in der Spandauer Strase 76 die ≫Veitel Heine Ephraimsche Lehranstalt≪ als Bet-Midrasch eroffnete, aus der eine ≫wissenschaftliche Schule≪ hervorging, an der bekannte Gelehrte ihrer Zeit wie Leopold Zunz, Abraham Geiger und Moritz Steinschneider unterrichteten oder studierten. Sie war die Vorlauferin und Wegbereiterin der 1870 gegrundeten Berliner Hochschule fur die Wissenschaft des Judentums. Teile der verschollen geglaubten Bibliothek dieser Ephraimschen Lehranstalt, die bis in die spaten 1920er Jahre existierte, wurden vor einigen Jahren in den Niederlanden zum Kauf angeboten. Dank der Bemuhungen des Judaisten Professor Karl E. Grozinger und erheblicher Fordermittel konnte die Bibliothek an die Universitat Potsdam geholt werden. Grozinger und Mitautoren haben sich auch die Arbeit gemacht, die bewegte Geschichte der Ephraimschen Stiftungen und der Lehranstalt zu rekonstruieren und in einem unlangst erschienenen Band zusammenzufassen, um sie dem Vergessen zu entreisen.

Die »beschnittene« Berliner ›Stiftung von 1803‹

Die Berliner Stiftungen der preusischen Hofjuweliersfamilie Ephraim reichen bis 1774 zuruck. Sie entstanden in den Tagen von Friedrich II., zur Zeit des Aufklarers Moses Mendelssohn und in den Jahren danach. Das Buch stellt vier Stiftungen vor, die von Veitel Heine Ephraim selbst, die seiner beiden Sohne, Ephraim Veitel Ephraim (1729–1803) und Zacharias Veitel Ephraim (1736–1779), die beide auch gute Beziehungen zu Moses Mendelssohn pflegten, und schlieslich die Stiftung des Sohnes von Zacharias, Heyman Zacharias Veitel Ephraim (1760–1799). Die Geschichte und Dokumente dieser vier Stiftungen sind Zeugnisse fur religios begrundete Wohltatigkeit im grosen Stil. Sie geben Einblick in die sich verandernden Rechts-, Wirtschafts- und Sozialverhaltnisse der letzten 250 Jahre, sie zeigen, wie judische Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert Schritt fur Schritt aus der traditionellen Talmudgelehrsamkeit in die Moderne gefuhrt wurden und welche wichtige Rolle dabei das judische Stiftungswesen gespielt hat. Die Stiftung des altesten Sohnes des Familiengrunders, die ≫Ephraim Veitel Stiftung≪, ist die einzige, die bis in die Gegenwart uberlebt hat, allerdings lange verborgen in ≫arisierter≪ Gestalt. Erst im Laufe der Recherche stellte sich heraus, dass die Bonner ≫Stiftung von 1803≪ ursprunglich die ≫Ephraim Veitel Stiftung von 1803≪ war. Seit 2001 tragt sie wieder ihren vollen Namen. Angefangen hatte alles mit dem Testament Ephraim Veitel Ephraims, der 1799 ≫33 333 Reichstaler und 8 Groschen Preus. Courant fur eine wohltatige Stiftung ≪ einsetzte und unter anderem einen Teil des Ertrags fur soziale Zwecke und einen Teil fur die von seinem Vater gegrundete Schule festlegte. Die erwahnte Bibliothek dieses Bet Hamidrasch war als einzige judische Bibliothek fur den Publikumsverkehr offen. Sie war spezialisiert auf talmudische Werke auf Hebraisch und Bucher zur Kabbala und zu judischen Riten, spater auch erganzt um Werke der Die ≫beschnittene≪ Berliner ›Stiftung von 1803‹ Ein neues Buch geht der Geschichte der Stiftungen der Hofjuweliersfamilie Ephraim nach Aufklarungsliteratur. In der hollandischen Sammlung von Yehuda Aschkenasi, die sich jetzt in Potsdam befindet, haben sich 71 Bande erhalten. Die Stiftung jedenfalls erfullte bis Anfang der 1930er ihren Zweck, namlich Sozialfalle und ≫junge Leute, die judische Theologie studieren≪ zu unterstutzen. Mit dem Nationalsozialismus verschwanden sukzessive die judischen Namen aus den Vorstandsprotokollen und Unterstutztenlisten und auch der Name der Stiftung selbst wurde, wie gesagt, 1934 ≫beschnitten ≪. Ganz aufgehort zu existiereren hat sie jedoch nie, nicht mal nach dem Krieg, als sich ein Teil in Ost- und der andere Teil in Westdeutschland befand. Die in Grozingers Buch abgedruckten Dokumente, Satzungen und Korrespondenzen belegen den wechselvollen Werdegang der Stiftung, die eng mit der deutsch-judischen Geschichte verbunden ist, mit judischem Mazenatentum und deutschem Ariertum, Satzungsanderungen, burokratischen Hurden und Wiedervereinigungskapriolen.

JK

Info: _Grozinger, Karl E. (Hg.): ≫Die Stiftungen der preusisch-judischen Hofjuweliersfamilie Ephraim und ihre Spuren in der Gegenwart≪, Verlag Harrassowitz 2009, 29,80