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Die Aggada seines Lebens
01.April 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Menschen
Der aus Kiew stammende Künstler Adolf Osherov
Am 11. März wurde Adolf Osherov 80 Jahre alt. Aber weder in seiner Wohnung und in seiner Arbeitsstätte war etwas von großen Vorbereitungen zu merken noch an ihm selbst. Er sieht viel jünger aus und er erzählt nicht nur über die Vergangenheit, sondern viel mehr über seine Ideen für die Zukunft.
Adolf Osherov ist ein Künstler. Geboren und aufgewachsen in Kiew – in einer Familie, die mit Kunst nichts zu tun hatte – war »Adik« schon als kleiner Junge künstlerisch begabt und konnte sich stundenlang mit Ton und Lehm beschäftigen. Die vierköpfige Familie wohnte in einem schönen zentralen Stadtteil in einem alten Haus, aber die großbürgerliche Wohnung war geteilt und die vierköpfige Familie lebte in der Wohnung mit einem 47-Quadratmeter-Zimmer; als die ältere Schwester heiratete, wurde eine Trennwand im Zimmer errichtet. »Meine Eltern waren einfache Leute, aber meine Mutter, die als Verkäuferin arbeitete, bastelte sehr schönes Spielzeug und es wurde mir sehr viel vorgelesen. Außerdem sorgte die ganze Familie dafür, dass ich immer ausreichend Ton zum Modellieren hatte.«
Nur während des Krieges verließ Adolf Kiew – seine Familie wurde nach Wolga evakuiert, der Vater war an der Front. Nach dem Krieg studierte er Grafik und lebte und arbeitete bis zu seiner Emigration im Jahre 1999 als Künstler in der ukrainischen Hauptstadt.
Schon immer nutzte Adolf Osherov verschiedene Materialien und Techniken. Er arbeitet mit Ton, mit Holz, mit dem Stift und dem Pinsel. Sein Brot verdiente er in der Sowjetunion als Ausstellungsgestalter in Museen. Heute und hier ist Ausstellungsdesign ein Trendberuf, damals und dort galt es nicht unbedingt als hohe Kunst. Osherov jedoch brachte kreative und persönliche Ideen ein und machte seine Objekte unverkennbar.
Adolf Osherov mit einem von ihm entworfenen Logo für den Musikwettbewerb »Goldene Chanukkija« Foto: Irina Leytus
In Kiew Pechersk Lawra, dem Museum im ehemaligen Kiewer Höhlenkloster, einem Zentrum des osteuropäischen orthodoxen Christentums aus dem 11. Jahrhundert, heute UNESCO-Weltkulturerbe, gab es eine Museumsführerin, die die von ihm gestalteten Räume besonders liebte. Sie ahnte damals nicht, dass sie in ferner Zukunft eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Berliner Stadtteil Schöneberg mit ihm teilen würde. Mit viel Lachen und Augenzwinkern erzählen die beiden, Adolf und seine Dina, wie nah beieinander ihre Lebenswege verliefen und wie es doch einen Zufall brauchte, sie zusammen zu bringen. Und der geschah vor elf Jahren. Nicht unkomisch: ein Jude gestaltet Ausstellungen, die die christliche Geschichte Russlands und der Ukraine plastisch darstellen, und eine Jüdin erklärt diese Geschichte dem russischen Publikum… Heute aber teilen beide ihre Begeisterung für Jerusalem und seine Altstadt. Zurück von einer zweiwöchigen Israel-Reise der ZWST, bringt Adolf seine Eindrücke mit Pastellfarben auf Papier, Dina – mit einem Kugelschreiber. Denn sie schreibt Gedichte. Eines davon ist dem Ehemann gewidmet:
Seine Augen sehen
Die bunte schöne Welt
Und alles, was unsere blühende Erde
In ihrer Stille verborgen hält,
Auch das große Geheimnis,
Das sich nur der Seele offenbart,
Und den im Himmelsblau
Noch verborgenen Regenbogen.
(Übersetzung Dina Lindner)
Adolf Osherov feierte also seinen 80. Geburtstag glücklich und zufrieden. Aber ein Herzenswunsch bleibt ihm noch als Künstler: eine Aggada mit seinen Illustrationen als Buch herauszugeben. Über neunzig Bilder, die seine Vision zu den Geschehnissen in der Tora und Aggada darstellen, hat er gemalt und sogar zu einem Buch – noch ohne Text – gebunden. Nun träumt er davon, das Buch mit Text – Hebräisch und Russisch oder Hebräisch und Deutsch drucken – zu lassen. Die göttliche Anwesenheit stellt der Künstler als Lichtstrahl dar, der zum Beispiel die Torarolle beleuchtet und zu Buchstaben wird. Hoffen wir, dass Adolf Oschrov schon bald das Aggada-Buch mit seinen Illustrationen in die Hände nehmen kann.
Irina Leytus
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