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Diamantschliff für »Ahawah Vision«
01.März 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Avitall Gerstetter möchte ihr Mehrreligionenhaus unter anderem mit Hilfe deutscher Traditionsmanufakturen verwirklichen
Die Berliner Kantorin Avitall Gerstetter und Samuel Urbanik engagieren sich seit Jahren für ein Mehrreligionenhaus, in dem ein interkultureller Austausch stattfinden soll. Die nötigen Mittel für ihr Projekt »Ahawah Vision« versuchen sie unter anderem mit dem Erlös aus einer edlen Porzellan- und Glaskollektion zusammenzubekommen.
Avitall, wie kam es zu der Projektidee?
Ich bin seit vielen Jahren mit dem interreligiösen Dialog befasst, das fand meist in Kirchen statt, bezog sich auf Religion und eigentlich bekam man kaum Kontakt zueinander. Ich habe mir dann vor fünf Jahren den Avitalls Cup ausgedacht, ein interreligiöses Fussballturnier. Sport und Musik sind ja die verbindenden Elemente. Und da ich in der Synagoge Oranienburger Straße Kantorin bin und immer an diesen leerstehenden »Ahawah«-Gebäuden in der Auguststraße vorbeikam, mit denen nichts geschah, kam mir eines Tages die Idee zu einer Art Akademie, wie ich sie als Studentin gern gehabt hätte – wo Studierende verschiedener Nationalitäten sich und wichtige Persönlichkeiten, die etwas zu ihrer Kultur zu sagen haben, kennenlernen und auch zusammen wohnen können, auf Zeit, für drei bis sechs Monate. Wenn man zusammen lebt, bekommt die andere Kultur oder Religion auch etwas Normales, Alltägliches und ist damit nicht mehr bedrohlich. Die Möglichkeit, so etwas auszuprobieren, hat man sonst ja nicht.
Eine Art Auslandssemester im Inland also?
Ja. Da sollen auch mit den Dozenten, die wir zum Beispiel aus Universitäten »leihen«, konkrete Projekte erarbeitet werden, eine Musik-CD, ein Film, je nachdem. Die Jugendlichen sollen aber auch zusammen kochen abends in ihrer Zeit-WG.
Ihr würdet die Akademie am liebsten auf dem Gelände der »Ahawah« sehen.
Ja, aber der Standort kann auch woanders sein. Das Ahawah-Gebäude zu sanieren wird sechs oder sieben Millionen Euro kosten und der ganze Komplex in der Auguststraße 16 bis 17 Millionen, und es ist auch noch nicht klar, welche Untiefen da warten bei einer solchen alten Bausubstanz, mit dem Denkmalschutz und so weiter. Wir überlegen also jetzt alternativ, eine oder zwei Fabriketagen zu mieten oder zu kaufen.
So ein Projekt kostet sehr viel Geld. Wo soll das herkommen?
Es gibt Fördermittel, es gibt Sponsoren und wir haben wunderbare Unterstützer. Wir haben Meissen angefragt, ob sie nicht eine jüdische Serie produzieren wollen, mit der das Projekt mitfinanziert werden kann und sie haben sofort zugesagt. Jörg Danielczyk und Ruven Gerstetter haben die erste Ahawah-Kollektion aus Meissner Porzellan entworfen. Und wir planen jetzt sieben Teile pro Jahr. Challotablage, Challemesser, Kidduschbecher, Schabbatleuchter, und eben den Sederteller auf Eurem Titelbild; dazu kommt noch eine Menora und eine Chanukkia. Nächstes Jahr gibt es dann nach dieser klassischen eine siebenteilige moderne Serie. Die wird Arik Levi, ein bekannter israelischer Designer gestalten.
Die Stücke sind nicht gerade preiswert. Wer soll das kaufen?
Leute, die ein schönes Geschenk machen wollen zu einem besonderen Anlass wie einer Bar Mizwa, und Leute, die etwas Wertvolles von Generation zu Generation weitergeben möchten. Früher hat man das ja auch gemacht mit dem Silberbesteck oder dem Familiengeschirr. Die Objekte sind alle aus Meissener Porzellan, von Hand gefertigt, mit Gold verziert und jeweils auf 777 Stück limitiert. Die Klinge des Challemessers ist von der Manufaktur Robbe & Berking handgeschmiedet.Das alles hat seinen Preis.
Gut, aber so viele Juden gibt es doch gar nicht in Deutschland…
Deswegen gehen wir zusätzlich auch ins Ausland, in die Schweiz und die USA. Wir werden demnächst einen Tisch bei Bloomingdale‘s haben… Es wird aber auch eine Serie für den kleineren Geldbeutel geben.
Was wäre der Unterschied?
Anstatt der 23-Karat-Vergoldung wird es halt etwas weniger Gold geben. Oder die Reliefs, wie die Weinblätter auf dem Challe-Teller, die zum großen Teil per Hand aufgesetzt sind, die werden bei der Low-Budget-Version dann als komplette Form gegossen. Und es wird auch noch eine Serviceserie geben für Pessach, die schlicht gehalten ist, mit einem einfachen Davidstern.
Es gibt auch eine wunderschöne Glas- serie, die ebenfalls preiswerter ist…
Die Serie »Ahawah« wird aus fein gearbeitetem Kristallglas mit Diamantschliff bei der Glasmanufaktur Theresienthal in Bayern hergestellt. Gottfried Palatin hat sie entworfen. Die Ornamente – auf der Wasserkaraffe beispielsweise – zitieren das Fassadenrelief des Ahawah-Kinderheimes.
Wird alles von deutschen Manufakturen hergestellt?
Mir ist ganz wichtig, dass deutsche Traditionsunternehmen Judaica ins Programm nehmen und sie damit auch mehr in der Mitte der Gesellschaft und kulturell verankern. Wir wollen in ganz normalen Läden stehen und gehören dann eben auch bei Meissen dazu. Wenn man bedenkt, dass die Manufaktur Meissen, die in der Nazizeit ein Staatsunternehmen war, gerade ihr 300-jähriges Jubiläum und noch nie etwas Jüdisches im Programm oder in seinen Läden hatte, dann freut mich das, dass wir da etwas aufbrechen konnten… Obwohl es natürlich noch besser ist, wenn wir die Sachen über unsere Internetseite Ahawahvision.com verkaufen, weil dann dem Projekt mehr Geld zufließt.
Mit Avitall Gerstetter und Samuel Urbanik sprach Judith Kessler.
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