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Das Fest der physischen und seelischen Freiheit

01.März 2013 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage, Religion

Rabbiner Yitshak Ehrenberg über Pessach

Die zentrale Mizwa der Sedernacht ist die »Haggada«, die Erzählung vom Auszug Israels aus Ägypten. Das Essen von Mazza und Bitterkraut sowie die anderen Bräuche des Pessachabends dienen der Veranschaulichung der Geschichte, damit wir sie besser empfinden und verstehen. Schließlich heißt es, dass der Mensch sich so sehen soll, als ob er selbst aus Ägypten auszieht (Haggada).

Die zentrale Mizwa der Sedernacht ist die »Haggada«, die Erzählung vom Auszug Israels aus Ägypten. Das Essen von Mazza und Bitterkraut sowie die anderen Bräuche des Pessachabends dienen der Veranschaulichung der Geschichte, damit wir sie besser empfinden und verstehen. Schließlich heißt es, dass der Mensch sich so sehen soll, als ob er selbst aus Ägypten auszieht (Haggada).

Die Mischna Pessachim sagt hinsichtlich der Ordnung der Haggada, dass man mit dem Unrühmlichen beginne und mit dem Lob ende. Das bedeutet, dass die Erzählung damit anfangen muss, wie schlimm es damals war, und damit abschließen soll, wie der Ewige uns erlöste und uns Gutes erwies. Der Ewige erlöste und rettete uns, führte uns aus Ägypten heraus und brachte uns in das Land Israel.

Im Talmud gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Raw und Schmuel darüber, mit welchem geschichtlichen Ereignis der Beginn der Erzählung zu setzen sei. Raw sagt, man beginne mit dem Auszug von unserem Vater Awraham aus dem Hause seines Vaters Terach, dem Götzendienerhause: »Zu Beginn waren unsere Väter Götzendiener. Terach, der Vater Awrahams…«.  Schmuel dagegen sagt, man beginne mit: »Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten«. In der Haggada berücksichtigen wir beide Ansichten. Nach der Auffassung von Raw haben wir die Pflicht, auch für die geistige Freiheit, die geistige Erlösung, zu danken. Denn der Ewige führte Awraham aus dem Hause seines Vaters heraus und brachte ihn nahe zu sich. Die Meinung Schmuels hingegen scheint durch den Erzählbeginn mit der Erlösung aus der ägyptischen Sklaverei die physische Errettung zu pointieren.

Die Pessachhaggada erzählt den Auszug aus Ägypten

Die Pessachhaggada erzählt den Auszug aus Ägypten

Wenn wir uns die Geschichte des Auszugs aus Ägypten genau ansehen, so finden wir in ihr sowohl eine physische und als auch eine psychische Erlösung. Wir wurden aus der ägyptischen Sklaverei, von unmenschlicher Arbeit, Bedrückungen und körperlichen Qualen befreit. »Und die Ägypter versklavten die Kinder Israel mit schwerer Fronarbeit« (Schmot 1:13). Nach langer Zeit in der Sklaverei zog das Volk Israel in die Freiheit. Der Sklave hat eine Sklavenmentalität. Er ist entrechtet; er darf nichts und kann nichts mehr selbst entscheiden. Alles wird für ihn entschieden. Die Versklavung einiger Generationen  nahm von unseren Vorfahren die Fähigkeit, eigenständig Entscheidungen zu treffen, das Vermögen selbst zu wählen – den Willen zur freien Wahl. Ein Sklave ist wie ein Esel seines Herrn, man hat ihn daran gewöhnt, zu gehorchen und das zu tun, was man ihm sagt. Ein Sklave, sogar wenn er physisch aus der Knechtschaft befreit ist, hat nicht augenblicklich schon eine geistige Veränderung vollzogen. Sein Bewusstsein und sein Empfinden verändern sich nach seiner Befreiung nur allmählich. Sieben Wochen dauerte es, bis das Volk Israel aus dem Knechtsempfinden emporstieg, bis es frei war und würdig, aus freiem Willen die Tora zu empfangen.

Die Religion basiert auf der freien Wahl. Es heißt: »Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. So wähle das Leben…« (Dwarim 30:19). Seit dem Empfang der Tora, nach dem Auszug aus Ägypten, war es unserem Volk beschieden, die Fähigkeit wieder zu erlangen, aus der Freiheit des Willens heraus Entscheidungen zu treffen.

Jeder Jude hat eine eigene Meinung, wir haben keinen Herdentrieb. Niemand kann uns etwas aufzwingen und uns gegen unseren Willen und unsere Auffassung dauerhaft manipulieren. Hitler zog viele Millionen Menschen in seinen Bann, man folgte ihm wie blind. Bei uns kann das nicht passieren, wir haben mit dem Auszug aus Ägypten und der Gabe der Tora vom Ewigen die physische und psychische Freiheit als Geschenk bekommen. Deswegen sitzen wir am Sedertisch und danken dem Ewigen für die Erlösung aus Ägypten. Wir danken für die  Errettung aus der Sklaverei und noch mehr für die geistige Befreiung, durch die das Volk Israel lebt und auf ewig besteht.

Mit dem Segen für ein koscheres und frohes Pessachfest für alle Mitglieder der Gemeinde,

Rabbiner Yitshak Ehrenberg