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Das Fest der Einheitlichen Freude
01.Oktober 2019 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Gedanken zu Sukkot von Gemeinderabbiner Boris Ronis
An Rosch Haschana und Jom Kippur haben wir einen tiefgehenden Prozess durchlebt, der uns einen intensiven Einblick in unser Leben und das unserer Umwelt gegeben hat. Sukkot nun bietet uns eine Art Pause an – einen Freiraum, der uns zu nichts zwingt, uns jedoch langsam daran erinnert, dass wir demnächst, nach den Feiertagen, die Laubhütte verlassen werden und ein neuer Weg im neuen Jahr vor uns liegt. Wir stehen also wieder einmal vor einem Neubeginn, der uns vielleicht auch noch nicht ganz bewusst ist.
Aller Anfang ist schwer – das gilt auch für den Beginn eines neuen Jahres. Darum sitzen wir in unseren selbst gebauten temporären Laubhütten, die uns nur ein spärliches Dach über dem Kopf bieten. Doch was hat ein neues Jahr mit solch einer Behausung zu tun? Und warum ist es wichtig für uns, uns für einen zukünftigen Weg zu entscheiden?
Als wir Juden durch die Wildnis auf unserem Weg aus der ägyptischen Sklaverei in die Freiheit marschierten, bauten wir vorläufige Behausungen – Sukkot. Damals wurde es uns verboten, in dauerhaften Domizilen zu weilen, da das Ziel unserer Reise Israel war. Unabhängig davon, wie weit wir gekommen waren, wussten wir immer, dass wir den Platz, den Er für uns vorgesehen hatte, noch nicht erreicht hatten.
Und so ist es auch heute. Wir sitzen sieben Tage lang in Sukkot, um uns daran zu erinnern, dass auch unsere Domizile vorläufig sind und dass es an uns liegt, sie ständig zu erneuern und wiederaufzubauen, weil wir noch heute nicht am Ende unserer Reise angekommen sind, hier im Sinne des persönlichen Weges eines jeden Einzelnen.
Soziologisch gesehen kann man einen solchen Prozess mit einem dauerhafter Weiterentwicklung einer Gemeinschaft umschreiben, die das Ziel hat, eine bessere und gerechtere Gesellschaft zu erschaffen. Ein solcher Prozess hat keinen Anfang und kein Ende und wird von jeder Generation neu begonnen. Und er verdeutlicht uns, dass jede Struktur, die wir errichten, temporären Charakter hat.
Aus religiöser Sicht lässt sich das mit dem Terminus Tikkun Olam beschreiben. Mit Tikkun Olam ist die ständige Reparatur und Pflege, aber auch eine Verbesserung und Erneuerung der Welt gemeint, bei der es unsere Aufgabe ist, sie durch unsere Handlungen zu vervollkommnen. Wir sind hierbei quasi Partner Gottes und sollen mit Ihm die Welt gestalten, in Seinem Sinne und nach Seinen Regeln. Diese Aufgabe tragen wir als ewige Verantwortung so lange mit uns, wie es diese Welt gibt.
Die Mizwa der Sukka dient allen Generationen dazu, sich zu erinnern, dass es Gott war, der die Kinder Israel veranlasst hat, gegen ihre Versklavung zu kämpfen und Ägypten zu verlassen.
Als wir dann konsequent an unserer Freiheit arbeiteten und das Gebäude einer neuen Gesellschaft errichteten, begannen wir die Reise in eine uns unbekannte Wildnis, in ein Terrain ohne politische Struktur. An jedem Tag dieser Reise mussten wir unser Leben neu bewerten und vieles lernen. Und wir setzen den Pfad zum Leben in einer neuen Gesellschaft in jeder Generation fort, mit der Hoffnung, in ein Land zu kommen, wo Milch und Honig fließen und in dem es Freiheit für jeden gibt.
jüdisches berlin
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