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Bücher fürs Volk
27.Februar 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Vor 80 Jahren starb die erste Bibliothekarin Deutschlands
Die Bibliothek ist heute ein typisches Arbeitsfeld für Frauen. Das war nicht immer so. Über Jahrhunderte war bibliothekarische Tätigkeit eine Männerdomäne. »Kann man in der That von der Bibliothekarin in Deutschland als einem neuen Frauenberufe sprechen?«, fragte Bona Peiser, die erste fest angestellte und bezahlte Bibliothekarin in Deutschland, in einem Artikel, der 1901 im »Centralblatt des Bundes deutscher Frauenvereine« erschien, als die ersten Frauen Zutritt zu diesem Arbeitsfeld erhielten. Mit der Entwicklung der Bücherund Lesehallenbewegung entstand ein großer Bedarf an qualifiziertem Personal. Es bot sich an, gebildete Frauen »ohne große Ansprüche auf Besoldung« zur Entlastung der Bibliothekare zu gewinnen, zumal sie sich »aus Liebe zur Sache« engagierten und angeblich bereit waren, »auch langweilige und direkt unangenehme Arbeiten« zu erledigen, wie ein Standesvertreter unterstrich. Das war sicherlich nicht Bona Peisers Motivation, Bibliothekarin zu werden. Um ihren Berufswunsch zu verwirklichen, ging die 1864 in Berlin geborene Tochter eines jüdischen Verlagsbuchhändlers nach England, wo sie als Volontärin in einer Public Library arbeitete. Nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich in der »Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur«, die 1895 die erste öffentliche Lesehalle in der Neuen Schönhauser Straße 13 eröffnete (wo auch ein Volkskaffeehaus und eine Speisehalle eingerichtet wurden). Bona Peiser übernahm deren Leitung, die sie bis zu ihrem Tod innehatte. »Die öffentliche Bibliothek ist eine Angelegenheit des ganzen Volkes. Sie soll das Bildungsund Unterhaltungsbedürfnis aller Volksschichten befriedigen. Sie darf keiner Klasse, keiner Partei dienen. Ihre einzige Tendenz ist, keine Tendenz zu haben. Sie muß mit den besten Werken der Literatur der populären Wissenschaft ausgestattet sein und muß deren Benutzung so bequem wie möglich machen…« – so formulierte sie die Leitlinien ihrer Arbeit. Peiser modernisierte die Büchereiarbeit und führte neue Arbeitsmethoden ein. Die Lesehalle war ein großer Erfolg. Innerhalb eines Jahres zählte man 50ooo Besucher. Steigende Leserzahlen und der wachsende Bestand machten einen Umzug zunächst in die Münz- und später in die Rungestraße notwendig. Seit 1995 erinnert dort eine Gedenktafel an die erste Bibliothekarin. Ihr folgten bald weitere Frauen, die sich 1907, auf Initiative von Peiser, zur »Vereinigung bibliothekarisch arbeitender Frauen« zusammenschlossen. Ein weiteres Augenmerk richtete sie auf die Errichtung einer Kinderbibliothek und auf die Ausbildung. Nachdem 1900 eine Bibliothekarinnenschule eröffnet wurde, bot ihre Lesehalle für lange Zeit Frauen die einzige Möglichkeit zur praktischen Vorbereitung auf den Bibliotheksdienst. Ihre Tätigkeit fasste Peiser als Beruf und Berufung auf: »An äußeren Ehren und Gewinn ist der Beruf des Bibliothekars nicht überreich, dagegen bietet er denen, die sich ihm mit Liebe hingeben, eine befriedigende und beglückende Thätigkeit im Dienste der Ausbreitung des edelsten Besitzes der Menschheit, ihrer geistigen Schätze.«
Vor achtzig Jahren, am 17. März 1929, starb die Pionierin der Bücherhallenbewegung (von der kein Foto existiert) und wurde auf dem jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Eine Bibliothek in Kreuzberg und eine Straße in Mitte tragen heute ihren Namen.
Lara Dämmig
jüdisches berlin
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