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Baustein auf dem Weg zum Welterbe

01.April 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Orte

Neues Standardwerk zu »Jüdischen Friedhöfen und Bestattungskultur in Europa«

Im April 2011 fand auf dem Friedhof Weißensee die mehrtägige internationale Konferenz »Jüdische Friedhöfe und Bestattungskultur in Europa« statt. Ausgerichtet von ICOMOS Deutschland (International Council on Monuments and Sites) und dem Landesdenkmalamt Berlin zusammen mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und der Stiftung Neue Synagoge Berlin beschäftigte sich die Konferenz mit der Geschichte jüdischer Friedhöfe, der Entwicklung der Bestattungskultur und der Grabmale von der Antike bis zur Neuzeit (das jb berichtete).

Ein besonderer Schwerpunkt war die Frage der Erhaltung und Restaurierung der Friedhöfe und die Konservierung von Grabmalen. Der Friedhof Weißensee bot dabei das ideale Studienobjekt vor Ort, zumal die Konferenz auch dazu dienen sollte, das Projekt einer UNESCO-Welterbenominierung des Friedhofs vorzustellen. Zu diesem Zweck muss der Friedhof zunächst auf die sogenannte Tentativliste der Bundesländer gestellt werden. Aus dieser Liste wählt der Bund dann die Projekte aus, die der UNESCO vorgeschlagen werden sollen.

Die zahlreichen Vorträge der internationalen Experten stellten ein solch weites Spektrum zum Thema jüdische Friedhöfe und deren Erhaltung dar, dass schon bald nach Konferenzende klar wurde, dass diese in einer Publikation zusammengefasst werden sollten. Unter der Federführung des Landesdenkmalamtes Berlin wurden die Beiträge gesammelt – das Ergebnis ist ein 200-seitiges, reich bebildertes Buch, das sowohl für Fachleute als auch für interessierte Laien als Standardwerk zum Thema jüdische Friedhöfe dienen kann.

Es beginnt mit einem ersten Überblick über das Erbe jüdischer Friedhöfe in Europa und die Friedhöfe Berlins. Als Gegenstand der Denkmalpflege behandelt ein zweiter Themenblock explizit den Friedhof Weißensee und dessen Erhaltung, aber auch die besondere Berliner Epigraphik, die einzigartigen erhaltenen Friedhofsarchivalien und die Architektur der Grabmale sowie ökologische Aspekte.

Ein eigener Beitragsblock geht auf die Inventarisation und Dokumentation alter Friedhöfe ein, wie im Elsass, wo es 68 jüdische Friedhöfe gibt, deren Entstehung teilweise bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht.

Baustein auf dem Weg zum Welterbe

Der nächste Block stellt dann die großen Metropolenfriedhöfe der Moderne wie in Mailand, Wien, Stockholm, Budapest und Hamburg vor, bevor der Blick auf Mittel- und Osteuropa mit seinen sehr unterschiedlichen Friedhöfen von Warschau bis St. Petersburg und einigen ländlichen Friedhöfen in Tschechien und in der Ukraine gerichtet wird. In einem weiteren Themenblock wird der berühmte mittelalterliche Friedhof in Prag vorgestellt und die schwierige Erhaltung so bedeutender Begräbnisstätten wie die jüdischen Katakomben in Rom aus dem 2. Jahrhundert, die Vorbilder für die späteren christlichen Friedhöfe waren. Abschließend werden die Perspektiven von Welterbenominierungen jüdischer Friedhöfe in Deutschland (zu Weißensee gibt es Parallelinitiativen der sog. SchUM-Städte Speyer, Worms, Mainz sowie von Hamburg) beleuchtet.

Jedem, den das Thema interessiert, kann der Band wärmstens empfohlen werden. Insbesondere für diejenigen, die mit jüdischen Friedhöfen beruflich oder ehrenamtlich zu tun haben, wird der Band eine wichtige Hilfe sein.

Es steht zu hoffen, dass diese Publikation den Bemühungen, den Friedhof Weißensee als UNESCO-Welterbe eingetragen zu bekommen, einen weiteren Schub geben wird, denn der Welterbestatus hat entscheidend verbesserte Möglichkeiten zur Einwerbung von Spenden und Fördermittel für dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen zu Folge.

Joachim Jacobs

 

_»Jüdische Friedhöfe und Bestattungskultur in Europa«, ICOMOS (Hg.), Bäßlerverlag 2011.

Das Buch kostet 22,80 Euro.
www.baesslerverlag.de