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Aus der Chanukka-Geschichte lernen

01.Dezember 2019 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage

Gedanken zum Lichterfest von Gemeinderabbinerin Gesa Ederberg

Die Chanukkageschichte beginnt mit einer Krise: Unter dem Einfluss der Griechen haben sich in Jerusalem viele von der Tradition der Vorfahren abgewendet, treiben Sport im »Gymnasium«, lehnen die Beschneidung ab und fangen an, im Tempel nicht mehr den einen und wahren Gott, sondern die Götter der Griechen anzubeten. Was den Einen als notwendige Modernisierung erscheint, ist aber für Andere ein Abfall von Gott und der althergebrachten Lebensweise. Es kommt zum Aufstand unter Jehuda Hamakkabi und seinen Söhnen, zum Bürgerkrieg, und schließlich zum Sieg der Traditionalisten über die Modernisierer, der Makkabäer über die »Griechen«. So klingt die einfache Variante. Aber es ist dann doch komplizierter: Die Kämpfe der Makkabäer waren nicht Krieg und Sieg gegen einen Feind von außen – sondern die Hellenisten waren selbst Juden, die sich in die umgebende Kultur assimilieren wollten. Im Laufe des langen Bürgerkrieges übernehmen die Makkabäer selbst vieles aus der neuen, weltumspannenden Kultur, ohne dabei aber Gott und das Judentum zu verraten. Sie finden zu einer neuen Balance zwischen Tradition und Gegenwart. So ist Chanukka ein Beispiel für den Konflikt zwischen Moderne und Tradition vor über zweitausend Jahren, der auch heute für Juden, Christen oder Muslime gleichermaßen aktuell ist.
Chanukka hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Wandlungen durchgemacht. Was bisher über Chanukka gesagt wurde, entspricht der historischen Realität, wie sie uns durch die Makabäerbücher und Josephus überliefert ist. Diese Makkabäerbücher sind aber recht schnell aus der jüdischen Überlieferung verschwunden und nur in christlichen Bibeln vorhanden, sie sind nur auf Griechisch erhalten.
Im Tanach kommt Chanukka nicht vor – Purim, das andere Fest, das nicht aus der Zeit der Tora stammt, hat eine eigene Megilla, aber die Makkabäerbücher sind nicht Teil der jüdischen heiligen Schriften. In der rabbinischen Tradition des Talmud taucht Chanukka überhaupt nur auf einer einzigen Seite auf – und zwar mit der simplen Frage, was Chanukka denn überhaupt sei. Dann wird die Geschichte vom Ölwunder erzählt: Ein kleiner Krug reichte für acht Tage Lichtzünden. Auch im jüdischen Gebet, im Siddur, hören wir nichts von Bürgerkrieg und makkabäischen Heldentaten. In die Amida wird der Text »al ha-Nissim – über die Wunder« eingeschoben. Dabei werden die Makkabäer zu einer bloßen Zeitangabe, zu passiven Gestalten. Gott ist der, der aktiv ist: Nicht Menschen kämpfen und streiten, sondern Gott selber setzt sich für sein Volk und den Tempel in Jerusalem ein.
Vor gut hundert Jahren änderten sich Bedeutung und Gestalt von Chanukka dann noch einmal. Durch die zeitliche Nähe zu Weihnachten fing man an, zu Chanukka den Kindern Geschenke zu machen, über das traditionelle »Chanukkageld« hinaus – ich kann mir auch heute noch gut vorstellen, wie die Kinder quengeln: »Mama, Papa, warum kriegt mein Freund Geschenke und ich nicht? 
Außerdem war im Zeitalter der Nationalstaaten der Zionismus als jüdische Nationalbewegung entstanden. Man suchte für einen jüdischen modernen Staat nach Vorbildern in der Tradition. Und da fand man die Makkabäer: Überall in der Welt entstanden Sportvereine mit dem Namen Makkabi und ein internationaler Wettkampf, die Makkabiade, die es bis heute gibt.
Wir lernen aus der Geschichte von Chanukka, dass weder Modernisierung noch Tradition als solche gut und richtig oder falsch und verdammenswert sind. Es kommt nicht darauf an, ob man ägyptische, griechische oder deutsche Namen hat. Nicht darauf, ob man ägyptische, griechische oder deutsche Kleidung trägt. Sondern wir können gerade von den Makkabäern lernen, dass die Treue zur eigenen Tradition und Familie, das Engagement für die Allgemeinheit und Offenheit für Neues sich eben nicht gegenseitig ausschließen, dass wir aber immer wieder darüber streiten müssen, was davon zum Judentum passt und was nicht.



Aus der Chanukka-Geschichte lernen