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Auberginenkavier und »Eschet Chail« im Bio-Raum

02.Mai 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Gesellschaft

»The Kosher Classroom« in der früheren Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße bietet wöchentliche Schabbatdinner an

 

Freitagabend, 19.30 Uhr. Nicht Zweier- oder Vierer-Tische wie im Restaurant gewohnt, sondern zwei lange, festlich geschmückte Tafeln erwarten die Gäste – weiße Tischdecken, edles Geschirr, schöne Gläser, duftende Challot, wie in einer großen Familie zu Hause am Schabbat. Und das ist es auch, was hier zelebriert wird, ein Schabbatdinner – für Jedermann.

Wir sind im »Kosher Classroom« im Erdgeschoss der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße, die der Galerist Michael Fuchs von der Jüdischen Gemeinde gepachtet hat. Nach einjähriger Bauzeit wurde der Ort im Februar als »Haus für Kunst und Esskultur« wiedereröffnet. Und Hotelier Michael Zehden hat sich für seine koschere Idee den früheren Biologieraum der Schule reservieren lassen.

Maximal 35 Personen können am Schabbatabend hier speisen. Auf den Tischen liegen für jeden Gast die Segenssprüche zum Essen und »Eschet Chail – Das Lob der tüchtigen Frau« in Transkription zum Mitbeten und -singen. Maschgiach Leonid Golzmann beginnt pünktlich mit der Zeremonie und erklärt, das macht er witzig und launig, was er tut und warum – das traditionelle Kerzenzünden, den Segen über Wein und Brot; er fordert alle auf mitzusingen (»Die Herren bei Eschet Chail bitte aufstehen, wir wollen die Frauen doch ehren«), und er lädt die Gäste, die brav am Waschbecken Schlange stehen, zum rituellen Händewaschen ein. Das lockert nebenbei die Atmosphäre auf und auch diejenigen, die nicht gewohnt sind, direkt neben Fremden an der Tafel zu sitzen, tauen jetzt oder spätestens nach der Vorspeise des 4-Gänge-Menüs auf, zu dem (natürlich) koschere Weine gereicht werden. Der Chefkoch Roman Albrecht (der seine Koscherkünste bei Spitzenkoch Franz Raneburger abgeguckt hat) lässt traditionelle jüdische Speisen und moderne mediterrane und vegane Gerichte servieren. Nach dem »Gefillte Fisch« und einem Vorspeisen-Potpourri gibt es die klassische Hühnersuppe mit Kreplach (die Leon Golzmann nach dem Rezept seiner Oma höchstpersönlich zubereitet) und eine vegane Consommé mit Shiitakepilzen als Alternative. Der Hauptgang ist beispielsweise ein Kalbsrollbraten mit Aprikosen, das Dessert Apfelkuchen mit eingemachten Früchten oder etwa eine parve Eiscreme mit Mango.

Zwischendurch findet der Maschgiach Zeit, den Gästen Fragen zu beantworten oder auch seinen Weg vom assimiliert aufgewachsenen Juden zur Orthodoxie zu erklären.

Die Lounge des »Kosher Classroom«Rabbiner Yitshak Ehrenberg (l.) und der Maschgiach Leonid GolzmannAuberginenkavier und »Eschet Chail« im Bio-Raum - 2Auberginenkavier und »Eschet Chail« im Bio-Raum - 3

»The kosher Classroom« ist bislang der einzige Platz in Berlin, wo auch Nichtjuden einen traditionellen Schabbat erleben können. Auf sie scheint das Konzept mit seinen reichlichen Erklärungen auch ausgerichtet zu sein. Aber man will alle Arten von Kunden erreichen, auch Gäste aus Israel und Orthodoxe, die sich hier darauf verlassen können, wirklich koscher (und erstklassig) zu essen. Das Restaurant steht unter Aufsicht des Gemeinderabbiners Yitshak Ehrenberg, der Maschgiach ist ständig zugegen und die Speisen werden Stunden vor Schabbateingang auf Niedrigtemperaturgeräten gegart. Wenn das Dinner beginnt, sind sie perfekt.

Auch an diesem Abend sind beide Tafeln gut besetzt – mit jüdischen Einheimischen, vor allem aber mit neugierigen Touristen aus dem In- und Ausland sowie ein paar Journalisten, die für Gastronomiemagazine schreiben – koscher liegt voll im Trend.

Der Maschgiach, ganz Hausherr und ganz in seinem Element, geht von Gast zu Gast. Er spricht auch von der Ruhepause, die der Schabbat bietet, der Gelegenheit, gemeinsam mit Freunden und Familie zu essen, den Alltag zu »entschleunigen« und die Seele baumeln zu lassen.

Auch die Räume wirken eher wie private als öffentliche Räume. Sie sind nicht sehr hoch, gemütlich beleuchtet, in einer Ecke stehen alte lederne Clubsessel, ein Bücherregal, eine eindrucksvolle mannshohe Lampenkonstruktion und stylische Kunst von Paul Hance an der Wand, nämlich die ikonenartig in Silber getauchte Berlin-Mitte-Schickeria mit Heiligenschein (vielleicht nicht ganz so jüdisch, aber die Koscher-Macher hatten als Untermieter keine Mitsprache bei der Gestaltung, und in der Woche werden die Räume auch mal anderweitig genutzt). Der Klassenraum ist als Biologieraum erkennbar an einer großen grünen Schultafel, dem Waschbecken in der Ecke und ausgestopften Vögeln an der Wand. Die Fenster gehen zum alten Jüdischen Krankenhaus und zum Siechenhaus hinaus; der »Background« des Areals kommt im Übrigen in diesem ansonsten behutsam und stimmig restaurierten Haus ein wenig kurz – zu dem schicken Label »Jüdische Mädchenschule« gehört schließlich auch eine Geschichte und eine Vergangenhei, jedenfalls mehr, als den paar Informationstäfelchen im Eingangsbereich derzeit zu entnehmen ist oder der inzwischen angebrachten Gedenktafel für den Architekten.

Doch zurück zum Essen: Das koschere Klassenzimmer ergänzt Albeck & Zehdens Cateringunternehmen »Top Kosher & Gourmet« (siehe jb 3/2010), das unter anderem das Crown Plaza in der Nürnberger Straße (wo es Schabbatzimmer mit Zeitschaltuhren gibt) beliefert und sogar die jüdischen Gäste des Papstes bei seinem Berlin-Besuch mit koscheren Schnittchen versorgt hat.

Man kann auch den »Kosher Classroom« mit diesem ganzen Service unter der Woche für geschlossene Gesellschaften buchen. Erweitert wird das Programm demnächst noch um koschere Weinproben, Wein- und Cocktailschulungen sowie Kochkurse (schließlich lässt sich in der Mitte des Klassenzimmers eine Kochinsel herausfahren). Und zusätzlich zu den Freitagsterminen gibt es jetzt schon jeden Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr ein Brunchbuffet. Das bietet über 30 verschiedene vegane Vorspeisen wie Auberginenkavier mit gegrillter Paprika, gelben Löwenzahn mit Dijon-Senf-Vinaigrette oder Feigen mit Bulgur und Cranberries, aber auch traditionell mediterranes wie Matbucha, Taboule und Hummus. Dazu kommen warme Speisen wie Lammkebab mit weißer Tahina oder Zanderfilet auf Rahmsauerkraut und Desserts wie Zitronenkuchen und Erdbeermousse. Mit der Diät fangen wir dann besser am Montag an.           

Judith Kessler

 

_The Kosher Classroom, Auguststraße 11–13, 10117 Berlin, Tel. 315 950 950,

mail@thekosherclassroom.com, www.thekosherclassroom.com