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Ani Purim, ani Purim...

01.März 2007 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage, Religion

Der Ausdruck Purim wird in der Estergeschichte selbst erklärt. Der Vertraute des Perserkönigs Achaschwerosch, Haman, will die Juden des Landes an einem Tag ausrotten, weil Mordechaj, der Jude, sich nicht vor ihm bückte. Haman ließ durch das Los (Pur) den Tag entscheiden. Es fällt auf den 13. Adar. Durch die Königin Ester (hebr. heißt sie Hadassa = Myrthe), die zweite Gemahlin des Königs und eine Verwandte und Pflegetochter Mordechajs, wird der König vom Plan Hamans unterrichtet. Ester hatte sich durch ein dreitägiges Fasten auf ihren Weg zum König vorbereitet. Haman fällt in Ungnade und wird an dem Galgen, den er in seinem Hause schon für Mordechaj errichtet hatte, aufgehängt. Boten werden durch das Land geschickt und verkünden die Aufhebung des Hamanschen Befehls. Aber schon mussten die Juden gegen ihre Angreifer kämpfen, und erst am 14. Adar waren sie aus der Gefahr gerettet. Mordechaj, der früher einmal den König vor einem Anschlag bewahrt hatte, tritt in den Rang Hamans und bestimmt gemeinsam mit Ester den 14. Adar als Losfest für alle späteren Geschlechter. Am Tage vorher soll zur Erinnerung an das Fasten der Königin ein Fasttag (Taanit Ester) gehalten werden.

Megilla-Lesung. Synagoge Hüttenweg, Purim 2006. Foto: Margrit SchmidtHaman­figur. Synagoge Hüttenweg, Purim 2006. Foto: Margrit Schmidt

Über die historische Grundlage des Festes ist uns aus anderen Quellen nichts bekannt. Deutlich fühlt man aber aus dem Buche Ester die Stimmung der Makkabäerzeit, ähnlich wie in dem Apokryphenbuch Judith. Dass die Namen babylonischen ähnlich klingen, ist bei dem Zusammenhang der persisch-babylonischen Geschichte nicht verwunderlich. Mor­dechaj erinnert an den babylonischen Hauptgott Marduk, Haman an den Gott Humman, Ester und Wasti (die erste Gemahlin des Königs) an die Sterngottheiten Istar und Wasti.
In der Estergeschichte kommt der Name Gottes nicht vor. Eine alte Erklärung bringt das damit in Zusammenhang, dass die Befreiung mit Blutvergießen verbunden war.
Das Esterbuch ist eine der fünf Rollen (Megillot), zu denen außerdem Ruth, das Hohelied, Kohelet und die Klagelieder Jeremias gehören. Die Esterrolle (Megilla) muss wie eine To­rarolle geschrieben sein, wird aber beim Vorlesen nicht wie die Tora von zwei Seiten eingerollt, sondern wie ein Brief flach ausgebreitet, eventuell zwei bis dreimal gefaltet. Das Vorlesen erfolgt in einem besonderen Sington (Nigun), der an allen Stellen, die an die babylonische Gefangenschaft oder die Gefahren der Verfolgung erinnern, in die Tischabeaw-Melodie übergeht. Die Namen der zehn Söhne Hamans, die auch aufgehängt wurden, müssen in der Rolle untereinander geschrieben sein und vom Vorleser in einem Atemzug ge­sprochen werden, weil es gleichsam nur ein Tod war, den alle erlitten.
Die Vorlesung der Megilla zu hören, gilt seit je als eine der wichtigsten Verpflichtungen. Sogar ein Trauernder darf während der ersten sieben Trauertage zur Megillavorlesung in die Synagoge gehen. Auch Frauen haben die Pflicht, die „Megilla“ zu hören, weil die Rettung durch eine Frau herbeigeführt wurde. Zu kranken oder weit von einer Synagoge wohnenden Juden pflegten zu Purim wandernde Vorleser zu kommen.
Die Megilla wurde ursprünglich nur am Morgen, aber seit dem 3. Jahrhundert u.Z. auch am Vorabend gelesen. Am Abend liest man sie nach der Tefilla, am Morgen nach dem Einheben der Tora in die Lade. Vor dem Lesen werden drei Danksprüche gesagt (al mikra megilla, d. h. für das Lesen der Rolle, scheassa nissim, das ist für die wunderbare Errettung, und schehechejanu, für das Erleben dieser Stunde). Am Sabbatausgang wird die Megilla sofort nach der Tefilla gelesen. In den Gebeten des Tages entfallen alle Stücke, die an Buße erinnern. Das Hallelgebet wird aber nicht gesprochen, weil, wie der Talmud meint, die Rettung nicht das ganze Volk und nicht Palästina be­traf. In der Tefilla und im Tischgebet wird eine kurze Erinnerung an das Ereignis eingeschaltet, der, wie zu Chanukka, die Dankworte al hanissim („für die Wunder“) vorangehen. Beim Morgengottesdienst wird aus dem 2. Buch Moses (Kap. 17, 8-16) gelesen. Die Stelle erzählt von dem hinterlistigen Überfall Amaleks auf die Israeliten. Haman wird ja selbst als ein Nachkomme des Agag von Amalek bezeichnet.
Der Schluss der Megilla spricht von den Geschenken, welche die erretteten Juden einander zusandten und von den Spenden an die Armen. Hieraus entwickelte sich die Sitte der Beschenkung des so genannten Mi­scheloach manot, im Volksmund Schlachmones. In der Synagoge werden drei Teller aufgestellt, in die man in Erinnerung an den halben Schekel der biblischen Zeit (2. Buch Moses, 30, 13-15) je eine Münze hineinwirft (drei Teller, weil der Ausdruck teruma = Gabe an der betreffenden Bibelstelle dreimal vorkommt). Das Geld pflegt an den Vorleser der Me­gilla und an Arme verteilt zu werden. Am Nachmittag (freitags schon zu Mittag) wird das besondere Festmahl Seudat Purim gehalten. Man zündet Lichter wie an einem Festabend an und dehnt das Mahl oft bis in die Nacht hinein aus…

aus einem Aufsatz über Purim
von Max Grunwald, Berlin 1937
Dr. Max Grunwald (1871-1953) war Rabbiner in Hamburg und Wien sowie Begründer der „Gesellschaft für jüdische Volkskunde“.
Purim-Bräuche
So oft bei der Vorlesung der Megilla der Name Hamans vorkommt, wird in vielen Gegenden von Kindern mit Stöcken auf den Boden gestoßen oder eine Ratsche gedreht. In Babylonien und Elam wurde eine Hamanpuppe in einem eisernen Reifen aufgehängt und so lange durch ein Feuer hin und her geworfen, bis das Seil riss und sie ins Feuer fiel. In Indien werden zwei Holzfiguren gegeneinander geschlagen, bis eine zerbricht – diese stellt Haman dar und wird gehängt, die andere gilt als Mordechaj. In Jemen wird eine lebensgroße Hamanfigur an einen Baum gehängt und so lange mit Pfeilen und Steinen beschossen, bis sie zusammenfällt. In Italien beschenkt man die Kinder mit Purimgeld. Andernorts ziehen sie von Haus zu Haus und ersingen sich Kupfermünzen. („Heut ist Purim, morgen ist aus. Gebt mir ein’ Kreuzer und werft mich hinaus“.) Daneben gibt es Purimspiele und -parodien wie die Haggada lelel schikurim.
Von den Purimspeisen seien er­wähnt: Hamantaschen, das sind dreieckige Mohnkuchen, in Bessarabien mit Pflaumen gefüllt. Die Form ist vielleicht eine Nachbildung der napoleonischen Hüte. Hamanohren sind ein Nudelteig, viereckig herausgeschnitten, die Ecken umgeklappt, in Öl gebacken und mit Vanillezucker bestreut. Malchesbrejtel ist ein Kramkuchen als Nachbildung der Diademe der Königin Ester. Megillokraut ist ein Sauerkraut mit Trockenbeeren und Zucker.
In einigen Familien haben sich eigene Purimfeiern erhalten, die ein Vorfahre, der aus großer Gefahr errettet wurde, eingesetzt hat. Vielfach hat er die Ge­schichte seiner Rettung in der Form einer Megilla aufschreiben lassen. Solche „Spezial“-Purims sind unter anderem: in Tanger ein Purim de los bombas , in Tetuan Purim de los Cristianos (Schlacht der drei Könige 1578), in Algier ein Purim, der an die Besiegung der Spanier 1441 erinnert, in Tripolis ein Purim Borghel, der auf den Kanarenüberfall 1793 Bezug hat. In Kairo ein Purim, der an die Pogromgefahr 1524 erinnert.
Was auch immer in den einzelnen Bräuchen der Umgebung entlehnt sein mag, das Fest als solches ist seit Jahrtausenden im Herzen des Juden verwurzelt und ein Tröster in schweren Zeiten geworden...
nach Max Grunwald, Berlin 1937