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60 Jahre im Gespräch

27.Februar 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Politik

Am 1. März wird die 58. Berliner Woche der Brüderlichkeit im 60. Jahr des Bestehens der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin (GCJZ) eröffnet.

Die immer noch einzige umfassendere Publikation zur Geschichte der Berliner GCJZ ist die Festschrift »Im Gespräch «, die man am Buchstand des Centrum Judaicum erwerben kann. Sie schildert vielfältige Aspekte dieser Geschichte in spannenden Geschichten. Als ich die Festschrift vor zehn Jahren erarbeiten durfte, hätte ich nicht geglaubt, dass es gerade in unserem Land einen Zeitpunkt geben könnte, an dem das Gespräch zwischen Juden und einem der christlichen Gesprächsteilnehmer – und sei es auch nur, wie jüngst geschehen, für einen Moment – noch einmal verstummt. Ja, dass das Gespräch im Ganzen gar als »ein Scherbenhaufen« empfunden werden würde. Hoffen ließen mich in diesem Moment das Erschrecken vieler am Gespräch engagiert beteiligter Katholiken, von einzelnen bis zur Bischofskonferenz, über den Anlass des Verstummens und die Proteste gegen diesen Anlass. Zu der notwendigen Vergewisserung über das unerlässlich auf christlicher Seite zu Leistende trägt vielleicht folgender punktueller Rückblick auf die Berliner Geschichte des christlich-jüdischen Gesprächs bei.
Von Anfang an unterstützten RIAS und SFB die Anliegen der Berliner GCJZ. So begleitete der RIAS bereits die erste Berliner »Woche der Brüderlichkeit « 1952 mit einem außerordentlich umfangreichen Programm. Im Juni 1954 ging der SFB auf Sendung. Schon im selben Jahr gestaltete er gemeinsam mit der Berliner GCJZ eine dann über 17 Jahre monatlich ausgestrahlte Gesprächsreihe, die unter verschiedene Leitgedanken gestellt war. Das erste Motto hieß »Das christlich-jüdische Gespräch«. Manche Leitgedanken der Sendereihe wurden nur ein halbes Jahr beibehalten, andere über mehrere Jahre, wie zum Beispiel das Motto »Wege zum Nächsten«. Im Oktober 1962 begann das Zweite Vatikanische Konzil, es endete im Dezember 1965. Dessen positive Bedeutung für das christlich-jüdische Gespräch liegt vor allem in der Erklärung über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (Declaratio »Nostra aetate«, lat. In unserer Zeit), die in der vierten und letzten Sitzungsperiode des Konzils am 28. Oktober 1965 verkündet worden war. Unter dem Eindruck des Zweiten Vatikanischen Konzils benannten SFB und GCJZ die Funkreihe ab Dezember 1964 um in »In unum Deum – Formen interkonfessioneller Zusammenarbeit « und eröffneten sie mit einem Beitrag »Aufeinander zu« von Pfarrer Wolfgang- Günther Friedrich.
Vor der endgültigen Entscheidung des Konzils über die Erklärung »Nostra aetate« wandte sich der Vorstand der Berliner GCJZ im Herbst 1965 in einem Brief an den Berliner Erzbischof Alfred Bengsch, der zwei Jahre später zum Kardinal ernannt wurde, mit der Bitte, sich, da das nicht sicher war, »für die Erhaltung der Erklärung in ihrem wesentlichen Inhalt« zu verwenden. Da die so genannte »Judenerklärung« die Gemüter in der Berliner GCJZ auch weiterhin sehr bewegte, veranstaltete die GCJZ am 31. Januar 1966 einen Vortragsabend mit dem kurze Zeit später zum Bischof von Berlin und der Mark Brandenburg gewählten Präses Kurt Scharf. In seinen Ausführungen »Das christlich-jüdische Verhältnis und das zweite Vatikanische Konzil in evangelischer Sicht« hatte sich Kurt Scharf kritisch mit der »Judenerklärung « auseinandergesetzt, zugleich aber auch das Positive in »Nostra aetate« dankbar anerkannt: »Der Text, wie er vorliegt, wenn die Vorgeschichte nicht im Blick wäre, ist ein guter Text, ist gegenüber der Haltung der christlichen Kirchen, der römisch-katholischen und der Kirchen der Reformation, ein sichtbarer Fortschritt, aber auf dem Hintergrund der Vorgeschichte dieser Erklärung ist der Text dennoch schwach, er ist ein Rückgang gegenüber der 1. Vorlage, die dem Konzil unterbreitet worden ist.« Der evangelische GCJZ-Vorsitzende, Volksbildungssenator a.D. Joachim Tiburtius, zog im Anschluss an Scharfs Vortrag Schlussfolgerungen für die Arbeit der Berliner GCJZ. Dabei betonte er, dass die Erklärung des Konzils keineswegs einen Abschluss bedeute, sondern eine neue Phase in der Zusammenarbeit begonnen habe.

Ausriss aus der Zeitschrift »Zusammenarbeit«. Es sind die einzigen erhaltenen Fotos aus der Gründungszeit der Berliner GCJZ. Vorbereitende Versammlung am 8. August 1949. Erster Jüdischer Vorsitzender wurde Siegmund Weltlinger, Jeanette Wolf (oben, stehend) seine Stellvertreterin.        Foto: ARCHIV GCJZ BERLIN

Ausriss aus der Zeitschrift »Zusammenarbeit«. Es sind die einzigen erhaltenen Fotos aus der Gründungszeit der Berliner GCJZ. Vorbereitende Versammlung am 8. August 1949. Erster Jüdischer Vorsitzender wurde Siegmund Weltlinger, Jeanette Wolf (oben, stehend) seine Stellvertreterin. Foto: ARCHIV GCJZ BERLIN

Ende Januar 2009 hatte der Vatikan bekannt gegeben, dass die Exkommunikation von 1988 gegen vier als Anhänger des Erzbischofs Lefebvre widerrechtlich geweihte Bischöfe aufgehoben ist, darunter auch die des Bischofs Williamson, eines erklärten Holocaust-Leugners. Dieser hatte in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen die Existenz der Gaskammern und den Mord an sechs Millionen Juden bestritten. Unklar ist nach wie vor, ob die Kirchenspitze Kenntnis vom Williamson-Interview hatte. Williamson ist Bischof der Priesterbruderschaft St. Pius X., um deren Wiedereingliederung sich der Papst bemüht. Der deutsche Distriktobere der Priesterbruderschaft, Pater Franz Schmidberger, hielt 1988 in Mainz vor der Bewegung »actio spes unica« einen inzwischen überarbeiteten, ergänzten und in vierter Auflage zum Jahresende 2008 den deutschen Bischöfen zugesandten Vortrag. In dem 18-seitigen, auch gegen die Erklärung »Nostra aetate« gerichteten Text, den man im Internet nachlesen kann, heißt es: Die »Juden unserer Tage« sind »des Gottesmordes mitschuldig, so lange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren «. Die Erklärung »Nostra aetate«, meint Priesterbruder Schmidberger, sei eine der »Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils« (so auch der Titel des Vortrags), die endlich entschärft werden müssten. Inzwischen bezeichnete Papst Benedikt XVI. die Leugnung des Holocaust als untragbar und inakzeptabel. Das gelte insbesondere dann, wenn der millionenfache Mord der Nationalsozialisten an den Juden von Geistlichen bestritten oder in seinen Ausmaßen kleingeredet werde. Er sagte: »Der Hass und die Verachtung für Menschen, Frauen und Kinder, wie sie der Holocaust deutlich gemacht hat, waren ein Verbrechen gegen Gott und gegen die Menschheit. Das sollte allen klar sein, insbesondere denen, die in der Tradition der Heiligen Schrift stehen «. Die katholische Kirche lehne grundsätzlich und unumstößlich alle Formen von Antisemitismus ab. Führende Vertreter jüdischer Organisationen aus den USA zeigten sich im Apostolischen Palast anlässlich dieser Worte erleichtert und applaudierten dem Papst: »Der Dialog zwischen Juden und Katholiken kann jetzt in gegenseitigem Respekt fortgesetzt werden «, sagte der Vizepräsident der Vereinigung der amerikanischen Holocaustüberlebenden, Elan Steinberg. Der Generaldirektor des israelischen Großrabbinats, Oded Weiner, betonte: »Wir hatten nie ein Problem mit dem Papst, sondern mit dem Bischof, der den Holocaust herabgesetzt hat«, die ausgesetzten Gespräche mit den Katholiken würden im März wieder aufgenommen. Bestätigt ist jetzt auch, dass Benedikt XVI. voraussichtlich im Mai, nach Israel reisen will. Israel sei »heilig für Christen wie für Juden, denn dort finden wir die Wurzeln unseres Glaubens«. Benedikt wäre damit nach Johannes Paul II. erst das zweite Kirchenoberhaupt, das offiziell seinen Fuß auf israelischen Boden setzt.

Ulrich Werner Grimm