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50.Jahrestag der Wiedereinweihung der Synagoge Fraenkelufer
14.Juni 2009 | Pressemitteilung | Gemeinde
Am 14. Juni 2009 haben wir sehr festlich den 50.Jahrestag der Wiedereinweihung der Synagoge Fraenkelufer begangen mit Vorstandsmitgliedern und Repräsentanten, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, dem Geschäftsführer André Lossin, Rabbinerin Gesa Ederberg, Rabbiner Ben-Chorin sowie zahlreichen Ehrengästen wie der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, MdA Dirk Behrend, dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Dr. Franz Schulz, von der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten mit Herrn Rhein und Herrn Dr. Kroegel, Polizeipräsident Glietsch und Herrn Haeberer, dem Leiter des LKA sowie Herrn Kundler von der Allianz AG, Dr. Hermann Simon, Direktor der Stiftung Neue Synagoge-Centrum Judaicum und Herrn Dühspol vom Kreuzbergmuseum.
Es amtierten als Gast-Rabbiner Salomon Almekias-Siegel und die Kantoren Jochen Fahlenkamp, Isaak Sheffer und Simon Zkorenblut.
Unsere kleine Synagoge Fraenkelufer war nach der Shoah eine der wenigen Stätten für regelmäßige Gottesdienste, eines der wenigen funktionsfähigen Häuser, in denen Rabbiner und Kantoren amtieren konnten. Prominente Vertreter des überlebenden Judentums kamen hierher, u. a. Nathan P. Levinson, Martin Riesenburger, Jeannette Wolff und Heinz Galinski.
Das vom Reg.-Baumeister Alexander Beer entworfene und nahezu 2000 Plätze fassende Gebäude stand auf dem heutigen Freigelände zwischen dem ‚Kottbuser’ Ufer (heute:Fraenkelufer) und der Britzer Straße (heute: Kohlfurter Straße). Es war nach den Synagogen in der Fasanenstraße und der Levetzowstraße das dritte große Gotteshaus, das im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in Berlin gebaut wurde. Die jüdische Bevölkerung Berlins war zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf über 90 000 Menschen gewachsen. Allein im Süden und Südosten der Stadt lebten über 12 000 Juden, so dass ein hoher Bedarf an Synagogenplätzen bestand.
Das im neoklassizistischen Stil gebaute Hauptgebäude hatte zwei Seitenflügel. Im linken - zur Straße hin gelegen - wohnten die Bediensteten, während im rechten die sog. Wochentags- und Jugendsynagoge untergebracht war, in der wir uns heute befinden.
In den Zwanziger und Anfang der Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts amtierten in der Kreuzberger Synagoge so renommierte Rabbiner wie Isidor Bleichrode, Julius Jakobovitz und Leo Baeck, später Martin Riesenburger sowie kurzzeitig sogar die erste Rabbinerin in Deutschland, Regina Jonas, die 1942 nach Theresienstadt deportiert und dann in Auschwitz ermordet wurde.
Schon Anfang 1930/31 wurde das Synagogengebäude - als wäre es ein frühes Fanal- mit antisemitischen Parolen und Hakenkreuzen geschändet.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 versuchten SA-Leute das Gebäude in Brand zu setzen, allerdings verhinderte die Feuerwehr Schlimmeres, weil nebenan eine Schule stand. So wurde die Synagoge äußerlich zwar nur relativ wenig beschädigt, im Innern allerdings weitgehend zerstört, so dass in ihr keine Gottesdienste mehr abgehalten werden konnten.
Nur noch der rechte Seitenflügel war nutzbar, bis schließlich die Gestapo und die Wehrmacht das gesamte Areal 1942 in Besitz nahm und die erhaltenen Gebäudeteile als Remise und Lager missbrauchten. Im Verlaufe des Krieges legten 1944 amerikanische Sprengbomben das Haupthaus in Schutt und Asche.
Wie ein Wunder mutet es auch heute noch an, dass nach dem Ende des Krieges und der Schoa bereits im Sommer 1945 wieder erste Gottesdienste abgehalten und bald darauf sogar Rosch Haschana in der erhaltenen ehemaligen Wochentags- und Jugendsynagoge gefeiert wurden.
Wer waren diese Juden, die hieran teilnahmen? Wo kamen sie her?
Sie kamen aus Verstecken in der Stadt und aus DP-Camps, sie kamen als Flüchtlinge von Transportzügen und Todesmärschen, sie kamen als Befreite aus Konzentrationslagern, sie kamen aus den Wäldern Polens und aus der Emigration. Sie alle waren Überlebende, die nach Berlin kamen, um hier abzuwarten, wohin sie nach dem Grauen der Schoa würden gehen können.
Etliche dieser Menschen ließen sich dann in Berlin nieder, gründeten neue Familien. Denn sie hatten zwar ihr Leben retten können, aber ihre nächsten Angehörigen verloren, sie nicht mehr wieder finden können.
Einige von ihnen bauten sich in Kreuzberg, z.B. rund um den Hermannplatz, kleine Existenzen auf, meistens Textil -oder Juwelierläden, arbeiteten fleißig und voller Hoffnung.
1958 wurden dann die Reste der Hauptsynagoge vom Grundstück abgetragen und der Seitenflügel mit Mitteln des Senats von Berlin umfangreich instand gesetzt, so dass vor 50 Jahren -im April 1959- die Synagoge Fraenkelufer neu geweiht werden konnte.
Wie 1916 und wie bei diesem Festakt begann 1959 die Weihefeier mit dem vertonten Bibelwort Bileams (4.M, 22) Ma towu ohalecha, Yaakov, mischkenotecha Jisrael (Wie schön sind deine Zelte, Jakobs, deine Wohnstätten Israels), das in vielen Synagogen zu Beginn der Gottesdienste auch heute noch gesungen wird. Und wie diesmal waren auch 1916 und 1959 viele Gäste aus Politik und Gesellschaft zu dem Festakt erschienen, um an dieser "…festlichen, würdevollen Stunde, der Weihe dieser Stätte angemessen…" teilzunehmen.
Ich freue mich sehr darüber, dass von diesen alten Betern und ihren Familien einige auch an diesem Festakt wieder teilnehmen konnten:
Isaak Behar, der schon 1945 einer der ersten hier dabei war, Nathan Milgrom, Siegfried Gamson, Inge Marcus, Wolf Finkelmann, Arnold Julius, Frau Wolkarz und Frau Hoffmann. Sie selbst und ihre Familien haben uns bis heute die Treue gehalten und sind immer wieder zu den Fest- und Feiertagen hier. Ihnen sei an dieser Stelle tiefer Dank ausgesprochen. Ihnen vor allen war diese Feierstunde gewidmet.
Michael Joachim
Vorsitzender der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Eine Festschrift erschien unter dem Titel "Die Synagoge Fraekelufer" in der Reihe "Jüdische Miniaturen", Band 40.
Verlag: Hentrich & Hentrich
Herausgeber: Hermann Simon
Autorinnen: Daniela Gauding & Christine Zahn
ISBN 978-3-941450-00-4
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